

Pausentaste Close Up – Desiree Wollik
Im neuen Teil der Close Up-Reihe sprechen wir der Grundschullehrkraft Desiree Wollik.
Möchtest Du Dich kurz vorstellen?
Mein Name ist Desiree Wollik. Ich bin 35 Jahre alt und lebe in Berlin. Ich arbeite als Grundschullehrerin – ein Beruf, der mir sehr am Herzen liegt. Neben meinem Beruf ist meine Familie mein größter Rückhalt und ein zentraler Teil meines Lebens.
Welches Familienmitglied hast Du gepflegt? Wie kam es dazu?
Ich habe meinen Großvater gepflegt. Zuerst während meines Studiums, später auch im Referendariat und in den ersten Jahren meines Berufslebens. Meine Großeltern waren mein ganzes Leben lang an meiner Seite: Sie wohnten direkt nebenan und wir sahen uns täglich. Als mein Großvater zunehmend erkrankte, war es für mich selbstverständlich, Verantwortung zu übernehmen. Er litt an der Lungenerkrankung COPD, hatte eine Demenzerkrankung mit teils sehr herausforderndem, aggressivem Verhalten, war stark schwerhörig, zunehmend gehbehindert und hatte Diabetes. Ich verabreichte mehrfach täglich Insulinspritzen, begleitete ihn und meine Oma zu Arztterminen und übernahm die Organisation seiner Versorgung. Ende 2023 verschlechterte sich sein Zustand plötzlich. Mein Großvater hatte Pflegegrad 3 und war dement, aber die Leistungen waren aus unserer Sicht insgesamt unzureichend. Deshalb übernahmen wir als Familie viele pflegerische Aufgaben selbst. Wir versuchten, einen Hospizplatz zu organisieren – eine Herausforderung, denn Plätze sind rar. Doch wir hatten Glück: Im Krankenhaus Köpenick wurde mein Großvater würdevoll begleitet. Wir konnten ihn täglich besuchen, wussten ihn in guten Händen und durften ihn auf seinen letzten Wegen begleiten. Dafür bin ich bis heute zutiefst dankbar.
Was waren die größten Herausforderungen in der Zeit, in der Du die Pflegeverantwortungübernommen hattest?
Die größte Herausforderung war die Zeit: Pflege lässt sich nach keinem Stundenplan organisieren. Pflege richtet sich nicht nach Tagesplänen, Terminen oder beruflichen Kalendern. Hinzu kamen organisatorische Belastungen: Es fehlten zuverlässige Pflegedienste, Medikamente und Abrechnungen mussten wir überprüfen.
Wie hast Du das alles geschafft? Hattest Du manchmal noch Zeit für Freundinnen und fürDich selbst?
Ich habe es nur geschafft, weil ich nicht allein war. In der Familie haben wir Aufgaben aufgeteilt, jede und jeder hat einen Teil übernommen. Auch wenn die Pflege viel Raum einnahm, habe ich mir kleine Auszeiten gegönnt. Spaziergänge mit unserem Hund, Treffen mit Freundinnen oder einfach ein ruhiger Moment mit meinem Mann – das waren meine Kraftquellen.
Was hat sich nach dem Tod Deines Großvaters verändert?
Heute, fast zwei Jahre nach dem Tod meines Großvaters, lebt meine Großmutter noch in dem gemeinsamen Haus. Doch das Alleinsein fällt ihr zunehmend schwer – nicht nur emotional, sondern auch körperlich. Dennoch möchte sie ihr Zuhause, das sie sich über Jahrzehnte liebevoll mit meinem Opa aufgebaut hat, nicht aufgeben. Mein Mann und ich möchten sie im Alltag unterstützen – und gleichzeitig ein neues Kapitel als Familie aufschlagen: in Form einer generationenübergreifenden Wohngemeinschaft. Das Pflegesystem stößt vielerorts an seine Grenzen. Es braucht neue Wege, um ein würdevolles, selbstbestimmtes Leben im Alter zu ermöglichen – inmitten der Gesellschaft, nicht abseits davon.
Welche Tipps würdest Du jungen Pflegenden mit auf den Weg geben?
Redet miteinander – offen, ehrlich und frühzeitig. Pflege ist eine große Aufgabe, und niemand sollte versuchen, sie allein zu bewältigen. Lasst euch beraten, informiert euch über Möglichkeiten und Angebote! Und vergesst euch selbst nicht! Pflege ist keine Einzelleistung, sondern eine Gemeinschaftsaufgabe! Es ist keine Schwäche, Hilfe anzunehmen – es ist ein Zeichen von Stärke und Weitsicht.
Information:
Seit 2012 wird alle zwei Jahre im Rahmen einer Ehrengala die Ehrennadel ‚Berliner Pflegebär‘ an zehn pflegende Angehörige verliehen. 2024 erhielt Desiree Wollik den Berliner Pflegebär als Zeichen der Anerkennung für ihren Einsatz bei der Pflege ihrer Großeltern. Ihre Laudatio hielt Martina Voss-Tecklenburg, die ehemalige Nationaltrainerin der deutschen Fußballnationalmannschaft der Frauen.